Theoretisches
Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie.
Das stimmt!
Erst in der Praxis entscheidet sich, was eine Theorie taugt.
Das stimmt auch!
Wort * Welt * wir ist ein Konzept, dass es erlaubt,
Phasen eines gemeinsamen und eines individualisierten, eines strukturierten,
anleitenden und eines offenen, auf Selbstständigkeit und Initiative der
Kinder basierenden Unterrichts, die gleichermaßen nötig sind, miteinander
in Balance zu bringen. Dazu biete ich hier eine zusammenfassende, aus der Praxis
abgeleitete theoretische, d.h. verallgemeinernde Darstellung an:
Download: Mal allein und
mal gemeinsam - Lesewege für ganz verschiedene Kinder (PDF, 67kB)
Abgrenzung in einer heißen Debatte
Jahrelang hat man nun gestritten, ob die Kinder leichter und besser mit einer
Fibel oder ohne Fibel lesen und schreiben lernen.
Fibelunterricht wurde gleichgesetzt mit Verweigerung von
Offenheit, kindfremdem Lehrgang, frontaler Unterweisung, gleichschrittigem
Lernen, Abrichtung auf Buchstabenkenntnis, Unterforderung der fitten Kinder,
Verhinderung selbstständigen Lernens, Rechtschreibzwang usw. usw.
Unterricht ohne Fibel wurde gleichgesetzt mit Kinderfreundlichkeit,
Reformpädagogik, entwicklungsgemäßem Lerngang, aktivem Schriftspracherwerb
mit Anlaut- oder Buchstabentabelle, Werkstattlernen, freiem Schreiben usw. usw.
Wort * Welt * wir passt nicht hierhin und nicht dahin.
Außerdem meine ich, dass diese unfruchtbare Polarisierung, in der sich
Einzelaspekte zu ideologisch verhärteter - d.h. für Erfahrungen in
der Wirklichkeit des Unterrichts blinde - Rechthaberei verklumpen, eine Art
intellektueller Pest verursacht, die die klärende Auseinandersetzung zwischen
verschiedenen Erfahrungen und Sichtweisen unfruchtbar oder gar unmöglich
machen. Auseinandersetzungen sind nur fruchtbar, wenn jeder den anderen anerkennt,
ihm Vernunft und guten Willen unterstellt, sich für seine anderen Erfahrungen
und Sichtweisen interessiert und sie zu verstehen versucht.
Im Bemühen, Polarisierungen aufzulösen und Widersprüche fruchtbar
werden zu lassen, richtete der Grundschulverband im Sommer 2006 an Horst Bartnitzky,
Erika Brinkmann/Hans Brügelmann, Wilfried Metze und mich die gleichen vier
Fragen:
- Welche Bedeutung hat im Anfangsunterricht das Schreiben? Welche
hat das Lesen?
- Welche Art von Unterstützung oder sogar Anleitung brauchen
die Kinder?
- Welche Rolle spielt die normierte Rechtschreibung im Anfangsunterricht?
- Sind Fibeln noch zeitgemäß?
Wir sollten diese Fragen vierfach voneinander unabhängig im Novemberheft
von >Grundschule aktuell< beantworten,
um mehr Klarheit in eine Auseinandersetzung zu bringen, die sich unter dem Stichwort
"freies Schreiben" Monate vorher in den Medien entfaltet und allerlei
böses Blut und Verwirrung hinterlassen hatte.
Die Fragen waren begleitet von jeweils zwei Zitaten, die wie Äußerungen
von PraktikerInnen wirkten. Sie schienen mir die vier klaren Fragen in einer
mich verwirrende Weise auf die obige Polarisierung zu beziehen. Ich habe darum
meine Antworten formuliert, ohne diese "Zitate" zu berücksichtigen.
Die Antworten aus allen vier Perspektiven kann man im Novemberheft 2006 von
>Grundschule aktuell< nachlesen. Das
Heft hatte den Titel: "Freies Schreiben von Anfang an - wichtig oder schädlich?"
In meinen Augen ist das eine polarisierende Formulierung.
Auch auf die folgende Äußerung Hans Brügelmanns
(zuerst in der ZEIT in einem Gespräch mit Reinhard Kahl, zitiert von Ulrich
Hecker im Einleitungsartikel) könnte ich mich nicht einlassen. Seine hymnische
Einschätzung der Verdienste von Jürgen Reichen kann ich nicht nachvollziehen.
Mir erscheint sie irreführend.
"In der Pädagogik spielt immer auch das Menschenbild, spielen Werte
und persönliche Einstellungen eine wichtige Rolle: Ist mir nur wichtig,
dass die Kinder fachliches Wissen und Können möglichst effektiv erwerben,
oder auch, wie sie es erwerben. Genau da sehe ich das große Verdienst
von Jürgen Reichen. Wie Montessori, Freinet und andere schon vor dem zweiten
Weltkrieg hat er gezeigt, dass man Kinder nicht abrichten muss, damit sie lesen
und schreiben lernen, sondern dass sie sich die Schrift selbstständig als
Sprache aneignen können, um selbstständig ihre Gedanken und Erfahrungen
anderen mitzuteilen."
Ich habe die wichtigen! - Fragen beantwortet, ohne mich auf die Zitate oder
den Titel des Heftes zu beziehen. Die Abgrenzung von den anderen im Heft geäußerten
oder angedeuteten Positionen habe ich durch sachliche Klarheit zu erreichen
versucht.
Es gibt bisher keine fruchtbare Auseinandersetzungen zwischen den Befragten,
in der jeder den anderen anerkennt, ihm Vernunft und guten Willen unterstellt,
sich für seine anderen Erfahrungen und Sichtweisen interessiert und sie
zu verstehen versucht. Das wäre nötig zum Nutzen der Kinder und ihrer
Schule. Einstweilen machen wir die Köpfe der LehrerInnen und StudentInnen
zum Feld von Auseinandersetzungen, die wohl von denen nicht gewollt sind, die
zur Zeit Definitionsmacht beanspruchen.
Download: Abgrenzung
in einer heißen Debatte (PDF, 86kB) - Vier Antworten auf vier wichtige
Fragen zum Schriftspracherwerb
Aus dem selben Heft ein Artikel von mir hier als Download:
Die Hand,
die Schrift, das Schreiben, die Freiheit (PDF, 217kB) oder: Wie frei kann
"Freies Schreiben" sein?
Wilfried Metze hat inzwischen den Grundschulverband verlassen. Was ihn dazu
bewegt hat, findet man auf seiner Website:www.wilfriedmetze.de
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