Ute Andresen
Ich bin nur zufällig Lehrerin geworden,
aber dann war die lebendige Arbeit
mit all diesen unterschiedlichen Kindern so aufregend und beglückend,
dass
ich fast 25 Jahre lang in dem Beruf geblieben bin,
obwohl es da
auch Konflikte und Enttäuschungen gab.
Warum nun so ein Atelier für Unterricht?
Meine Freude und Befriedigung im Beruf hat mich bewegt,
immer wieder zu versuchen,
anderen – StudentInnen und KollegInnen – meine Erfahrungen und Ideen
zu zeigen,
sie mit ihnen zu durchdenken und sie vielleicht anzustecken
mit der
Begeisterung für die unmittelbar sinnvolle Arbeit
mit den so vielfach verschiedenen Kindern, vielleicht auch
anzustecken mit der Wut auf die Großverkünder, Fremdbestimmer, Fernlenker
und Patentrezeptler,
die das Sagen haben wollen in der Schule, ohne je selbst
Kinder ausgiebig unterrichtet zu haben.
Ich möchte LehrerInnen ermutigen,
in der Arbeit mit den Kindern ihrem
inneren Kompass zu folgen
und für sich und ihre Arbeit den Wahlspruch der
Aufklärung in Anspruch zu nehmen,
den wir zwar vielleicht kennen, aber
kaum je auf uns selbst anwenden.
Und wenn wir es tun, dann oft mit tiefer Angst, als verletzten wir ein Tabu.
Mit dieser Angst un d Zurückhaltung schaden wir uns selbst und den uns anvertrauten Kindern.
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen
aus seiner
selbstverschuldeten Unmündigkeit.
Unmündigkeit ist das Unvermögen,
sich seines Verstandes ohne Leitung
eines anderen zu bedienen.
Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit,
wenn
die Ursache derselben nicht an Mangel des Verstandes,
sondern der Entschließung
und des Mutes liegt,
sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen.
Sapere
aude! Wage, klug zu sein!
Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!
ist also der Wahlspruch der Aufklärung.
Das hat Emanuel Kant (1724-1804) uns allen vermacht, den Männern, den Frauen und
den Kindern.
Eine große Frau, Doris Lessing
hat den Frauen unter uns fast 200 Jahre später etwas ins
Stammbuch geschrieben,
was ich selbst immer wieder so erlebt habe, als käme
ein Nebel auf mich zu,
der mir meine eigenen Konturen und die Konturen der anderen verwischt.
Es ist nicht einfach – nein, es ist unmöglich
-
normal und bei klarem Verstand zu bleiben,
wenn man unter Menschen lebt, die
anders denken.
Zu meinem Glück gab es immer Menschen, die ähn lich dachten wie ich
und mir gleichgestimmt und klarbewusst
geholfen haben,
die falsche Normalität als falsch zu erkennen und ihr rechtzeitig zu entkommen.
Das Atelier
für Unterricht soll bedrängten Anderen solche Hilfe anbieten.
Es ist doch lächerlich, zu glauben,
man könnte LehrerInnen wie ferngelenkte
Roboter veranlassen, guten Unterricht zu machen!
Es ist eine Schande, dass sie,
dass wir in der ganzen aufgeregten Bildungsdebatte
keine eigene Stimme haben,
die gehört und respektiert würde.
Unterricht ist nur dann gut, wenn LehrerInnen mit ihrer Person
und mit guten,
eigenen Argumenten dafür einstehen,
dass das, was sie den Kindern zumuten
und die Kinder lernen sollen,
notwendig, sinnvoll und ganz gewiss auch lohnend
ist.
Was das im jeweiligen Moment für eine Gruppe von Kindern ist, sein soll oder sein darf,
können nur die Erwachsenen verantwortlich entscheiden, die Teil der Situation sind.
Die LehrerInnen.
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