Sache und Sprache
Wenn wir etwas,
das wir sehen, hören, riechen, schmecken,
spüren,
ungenau wissen oder auch nur ahnen,
in Worte fassen,
wird es deutlicher erkennbar.
Darum muss jeder Sachunterricht zugleich Sprachunterricht sein,
genau und anregend im Gespräch, in der Begriffsarbeit, in der Dokumentation.
Ein Beispiel:
Spracharbeit
im Spiel
Blätter, von Kinder gesammelt und ausgelegt, sind alles gleichermaßen
Blätter
und meistens grün.
Will ich mir ein bestimmtes Blatt geben lassen,
muss ich es genau bezeichnen.
Einzelheiten werden sichtbar,
Worte genauer, Namen
merkbar.
Man kann die Blätter auch zwischen Folien haltbar machen und dem Spiel eine schöne Schachtel geben.
Ein anderes Beispiel:
Als das B der neue Buchstabe
ist, machen wir ihm zu Ehren einen Ausflug,
gehen über die Brücke,
setzen uns unter Büsche und Bäume
und
machen Brotzeit mit Brezeln,
Butterbrot, Brötchen,
Birne.
Die Wörter werden vorher an die Tafel
geschrieben oder in den Kreis gelegt.
Als wir zurückkommen, bringen wir
neue Wörter mit: Bank, Blume,
Blüte, Kabel, Rabe
...
Auch die werden sorgsam aufgeschrieben und aufbewahrt in dem bunten
Buch.
Jeder wählt seine Wörter – vielleicht mit Hilfe
-, schreibt sie ab und zeichnet dazu.
Gesprochene und geschriebene Sprache
Wenn wir gesprochenen Sprachgebilden begegnen, deren Bedeutung uns fremd ist,
können wir sie doch in Klang und Rhythmus wahrnehmen.
Manchmal ahnen wir
Bedeutung, wenn uns Situation und sprechende Person Hinweise geben.
Der Impuls, Bedeutung zu erschließen, erlischt, wenn alles zu fremd und
zu flüchtig ist.
Gesprochene Sprache ist unsichtbar, flüchtig und unzuverlässig.
Wiederholung im Sprechen des Immergleichen dient der Lernbarkeit,
aber offenes, lernbereites Zuhören und Sprechen
ist nicht zu erzwingen und kaum zu planen.
Geschriebene Sprache ist sichtbar und beständig.
Damit vermittelt sie Sicherheit und ermutigt das Lernen.
Lernende können sich abwenden,
wenn sie nicht erfassen können, was
da steht, und mutlos sind.
Sie können sich ihm wieder zuwenden,
wenn sie bereit sind, sich darum zu bemühen, es aufzunehmen.
Im klassischen Frontalunterricht wird der Unterrichtsgegenstand als Sprachzusammenhang
vom Unterrichtenden an der Tafel in Skizzen und Worten Schritt für Schritt
entwickelt
und von den Lernenden im Hefteintrag festgehalten, vielleicht individuell gestaltet.
Das kann, wenn alle interessiert bei der Sache sind, sehr lernwirksam sein.
Im modernen, medienbewehrten Frontalunterricht
untergraben industriell gefertigte Projektionen diese
Wirksamkeit.
Sie entwerten die Unterrichtenden, den Lerngegenstand und die Beziehungen untereinander.
Wenn Lernen im Kreis stattfinden soll, darf es nicht bei vagem Gerede bleiben,
das die klare Strukturierung des Gegenstands und seines Begreifens
und die Verbindung
mit der Schriftsprache dem Arbeitsblatt überlässt,
das fixfertig den
Unterricht von außen regiert.
Wo so ein Vorgehen als Unterricht ausgegeben wird,
kann gemeinsames Lernen kaum
stattfinden,
allenfalls die Vorbereitung von Pauken für den nächsten
Test.
Wort * Welt * wir enthält viele Möglichkeiten,
anders im Kreis zu lernen
und dabei von Anfang an die Verbindung von Sache und Sprache
zu entwickeln.
Überlegungen, wie das für Kinder mit einer Sprachentwicklungsstörung
wichtig werden kann,
finden sich unter dem Stichwort Schriftsprache.
Wenn die Kinder zu lesen beginnen und allmählich glückliche
LeserInnen werden sollen,
die ihr Interesse an der Sache mit Vergnügen
an der Sprache verbinden,
kommt es sehr auf die Qualität der Texte an,
die wir ihnen zu lesen geben.
Darum geht es im Aufsatz „Weil die Sprache meine Sache ist“.
Download: Weil
die Sprache meine Sache ist (PDF, 151kB)
Lesehinweis:
>Lernen im Kreis< in: Ute Andresen: Ausflüge in die Wirklichkeit,
S. 73 - 97
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